TOMOS
Aus mehreren Gründen ist der Produzent Tomos ein ganz besonderer Mofahersteller. Es ist einer der wenigen osteuropäischen Fahrzeughersteller, der schon zu Zeiten des Kalten Krieges seine Töfflis sehr erfolgreich in westliche Staaten exportierte. Ausserdem bewies der Hersteller in Sachen Mofaproduktion einen langen Atem. Denn bis vor wenigen Jahren war der slowenische Fabrikant noch im Geschäft und baute Mofas. Auch wenn sich an den jüngeren Töffli-Modellen wie dem Modell Tomos A35 Sprint, das bis 2009 gebaut wurde, die Geister scheiden, so werden die älteren Zweiräder des Herstellers – etwa das Tomos XL 25-Töffli – von Töfflimeitli und Töfflibuebe geschätzt und mitunter sogar verehrt. Und das nicht nur, weil das XL 25-Mofa einer anderen Töfflilegende zum Verwechseln ähnlichsieht. Wir stellen dir den Hersteller und seine schönsten Modelle genauer vor.
Sitz | |
Status | Nicht aktiv |
Gründung | 1954 |
Gründung unter Vorzeichen sozialistischer Planwirtschaft
Tovarna Motornih Vozil Sežana oder eben die Fabrik für Motorfahrzeuge Sežana wurde im Jahr 1954 in eben jener slowenischen Stadt gegründet. Da Slowenien damals noch zur Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien (SFR) gehörte, verlief die Unternehmensgründung anders, als man das aus der Schweiz und der heutigen Zeit kennt. Formell handelte es sich um einen Staatsbetrieb, der in der zunächst staatlich gelenkten Planwirtschaft Automobile und motorisierte Zweiräder für den jugoslawischen Markt herstellen sollte.
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Tomos blieb übrigens auch noch ein gutes Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit von Slowenien im Jahr 1991 in stattlichem Besitz und wurde sehr behutsam und umsichtig privatisiert, das war mit Sicherheit einer der Gründe, warum das Unternehmen bis in die jüngste Vergangenheit hinein Bestand hatte.
Bereits wenige Jahre nach der Gründung zog die Produktion in die günstiger gelegene slowenische Hafenstadt Koper um. Auf die Entwicklung eigener Modelle verzichtete man zunächst bei der Umsetzung dieses Vorhabens, stattdessen setzte man auf Lizenzfertigung bewährter Modelle aus dem Westen. Dass dies überhaupt möglich war und keine Zweirad-Modelle oder Automobile aus den sozialistischen Bruderstaaten gefertigt werden mussten, verdankt die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien ihrer Sonderrolle innerhalb des sogenannten Ostblocks, aber das ist eine andere Geschichte. Einen Lizenzpartner im Automobilbereich fanden die slowenischen Ingenieure in dem französischen Fahrzeughersteller Citroën, im Zweiradsektor kooperierte der slowenische Tomos mit keinem geringeren als dem legendären österreichischen Mofahersteller Puch. In der Praxis der Anfangsjahre bedeutete dies, dass die ersten Zweiräder, die in den Werkshallen in Sežana oder Koper zusammengebaut wurden, komplett aus Teilen bestanden, die der österreichische Hersteller geliefert hatte. Dabei handelte es sich überwiegend um Lizenznachbauten des weltweit über den längsten Zeitraum gebauten Mofas. Die Rede ist von dem Modell MS50, besser bekannt als „Stangl-Puch“.
Der slowenische Lizenzbau als Glücksfall
Man sollte übrigens nicht nur die Nase rümpfen über den Fahrzeug-Plagiarismus, den die Slowenen betrieben. Denn zum einen waren die Mofas keine Mogelpackung, sondern solide und bereiteten Fahrspass, zum anderen ist es ein absoluter Glücksfall, dass beispielsweise auch das legendäre Puch-Maxi-Töffli eine Zwillingsschwester aus dem Hause Tomos mit dem Namen Classic XL 25 hat. Denn zum einen sind logischerweise die viele Ersatzteile der verschiedenen Mofamarken grösstenteils kompatibel, zum anderen sind die Classic XL 25-Töfflis heute deutlich günstiger zu haben. Wer sich also ein originales Puch-Maxi-Töffli nicht leisten kann, für den ist das Classic XL damals wie heute oft eine sackgeldschonende Alternative.
Das Modell Colibri, Sport, Super und Luxus
Schon bald beschränkten sich die slowenischen Konstrukteure aber nicht mehr darauf, nur gelieferte Teile zusammenzuschrauben und Lizenznachbauten herzustellen, sondern begannen mit der Entwicklung eigener Motoren und Fahrzeuge. Ein erstes Ausrufezeichen setzten die Slowenen mit den zahlreichen Mofa-Modellen der Baureihe Colibri. Schon auf den ersten Blick fällt bei all den Colibris zwar die Ähnlichkeit zu dem österreichischen Vorbild dem „Stangl-Puch“ auf, doch im Lauf der Zeit wurden an den beliebten Modellen immer mehr Puch-Komponenten durch eigene Komponenten ersetzt.
Das Modell Colibri erfreute sich grosser Nachfrage. Nicht nur in Jugoslawien fand das Zweirad schnell Freunde und reissenden Absatz, es wurde auch in die westlichen Staaten exportiert. Den Anfang machte im Jahr 1959 Schweden, wenig später wurden die ersten Tomos-Modelle nach Dänemark exportiert, wo die MS50-Klone unter Modellnamen wie Sport, Super oder Luxus an die dänischen Knallert-Meitli und Knallert-Buebe verkauft wurden. Doch zum wichtigste Absatzmarkt im kapitalistischen Ausland entwickelten sich die Niederlande. Die slowenischen Colibri-Mofas waren dort so begehrt, dass Tomos bereits im Jahr 1966 ein eigenes Werk in der niederländischen Stadt Epe eröffnete. In der damaligen Zeit, die geprägt war von der Konfrontation zwischen West- und Ostblock, war dies auch aus politischer Sicht äusserst ungewöhnlich.
Erste Eigenkonstruktionen im Motorbau und eigenständiges Design
Ermutigt von diesen Erfolgen, verfolgten die Ingenieure und Konstrukteure von Tomos konsequent den eingeschlagenen Weg. Erklärtes Ziel war es, durch weitere Eigenentwicklung und Innovationen autarker zu werden und die Abhängigkeit von den Lizenzpartnern weiter zu reduzieren. Doch dieser Weg war lang und es sollte noch Jahre dauern, bis Tomos ein Töffli vorstellen konnte, das vollständig selbst entwickelt worden war. Zunächst blieb die Abhängigkeit zu Puch im Leichtkraftbereich bestehen, doch in den 1970er-Jahren kam es zu einer Zäsur. Waren die Colibri-Modelle T-03, T-12 und T-13, die in dieser Zeit auf den Markt kamen, noch mit Puch-Motoren ausgestattet, so kam beim Colibri-Töffli 14V erstmals ein von Tomos entwickelter 2-Takt-Einkolbenmotor mit Rückspülung und Lüfterkühlung zum Einsatz. Dieses Aggregat bewährte sich so gut, dass ab dem Jahr 1973 fast alle Zweiräder mit den selbstentwickelten Motoren ausgerüstet wurden.
Parallel erkannten die Slowenen schnell, wie sich der europäische Zweiradmarkt in den 1970er- und 1980er-Jahren veränderte. Der wachsende Wohlstand führte dazu, dass auch die damalige Generation Ü-18 mehr Geld zur Verfügung hatte, um sich den Wunsch nach individueller Mobilität und Freiheit zu erfüllen. Speziell für diese Zielgruppe wurden Zweiräder wie das Tomos-A-OS, A-ON oder APN mit Hochlenker, Sitzbank mit Rückenlehne und verchromten Rahmenteilen angeboten.
Als der Fadeout des Töfflibooms Mitte der 1980er-Jahre begann und die Hödi-Verkaufszahlen europaweit einbrachen, streckten viele grosse Töfflischmieden die Schraubschlüssel und stellten die Produktion ein oder verkauften ihre komplette Mofasparte weiter. Diese traurige Zeit des Niedergangs bedeutete das Aus für viele traditionsreiche Hersteller. Doch Tomos überstand die Krisenjahre. Zum einen verdankt das die Mofaschmiede ihrer Sonderstellung als Unternehmen in staatlichem Besitz. Aber an den Standorten in Sežana, Epe oder Koper hatte man in den letzten Jahren nicht nur fleissig Mofas gebaut, sondern stets Produktionsmittel und Maschinen modernisiert. So konnte der slowenische Hersteller auch den Wegfall des wichtigsten Partnerbetriebes Puch verkraften und weiter Mofas produzieren. Bis ins Jahr 2009 wurden die Zweiräder noch im niederländischen Stammwerk hergestellt, darunter Neuentwicklungen wie das Sprint-Töffli, die Targa-Perle (ST) und das Targa-LX-Mofa. Um Produktions- und Lohnkosten zu sparen, verlegte man die Mofafertigung zum Jahreswechsel 2009/10 wieder vollständig ins Stammwerk nach Koper. Bereits damals sorgten Gerüchte für Aufregung, denen zufolge sich Tomos der Konkurrenz indischer und chinesischer Mofabauer nicht mehr gewachsen sah und den Verkauf der Mofasparte plane. Das Unternehmen dementierte aber eine entsprechende schriftliche Unternehmenserklärung, die in Umlauf geraten war. Noch ein weiteres Jahrzehnt hielt der slowenische Mofabauer tapfer durch, bis das Unternehmen im Jahr 2019 schliesslich und leider doch Insolvenz anmelden musste.
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